Vinny TPushing Into The Unknown

Ein Sprung. 25 Meter tief. 31.3 Meter weit.
Ein Moment, der alles verändert.


Am 18. Oktober 2024 schreibt Vincent Tupin Freeride-Geschichte: Mit einem Drop, den man nur einmal im Leben macht. Pushing Into the Unknown ist mehr als ein Bike-Film – es ist ein filmisches Porträt über Mut, Zweifel und das absolute Vertrauen ins eigene Gefühl.

Vinny-T: «Das ist ein Sprung, den man nur einmal im Leben macht.»

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Point of no Return: Freerider Vinny-T über seinen 30-Meter-Sprung ins Unbekannte

25 Meter tief, 31,3 Meter weit. Im Interview spricht Vincent Tupin erstmals über seinen Versuch, den längsten und höchsten Sprung der Freeride-Geschichte zu stehen.


Am 18. Oktober 2024 wagte der damals 30-jährige Franzose Vinny-T (Vincent Tupin) etwas, das die Freeride-Welt so schnell nicht vergessen wird. Getrieben von Neugier, Leidenschaft – und einer gesunden Portion Madness – sprang er in Liddes (VS) 25 Meter in die Tiefe. Zum Vergleich: Der legendäre Jah Drop misst 16,8 Meter und wurde bislang nur einmal von MTB-Freerider Brage Vestavik gestanden. Wir sprechen mit Vinny T über den Moment, an dem es kein Zurück mehr gab.

Written by Anna Unternährer

Bilder: Germain Favre-Felix

Vinny, nimm uns mal ganz an den Anfang mit: Wann und wie ist die Idee zu diesem verrückten Sprung entstanden?
Mein Kumpel Seb Giraldi hat im Oktober 2023 den Spot im Wallis entdeckt. Er hat sofort an mich gedacht, als er sich den Drop vorgestellt hat. Wir sind dann zusammen hin, haben uns den Ort angeschaut, Leute aus dem Dorf getroffen – und direkt grünes Licht bekommen! Das ist echt selten. Noch im selben Monat konnten wir mit dem Shapen loslegen.

Den Sprung hast du schliesslich am 18. Oktober 2024 gewagt – warum haben sich die Vorbereitungen über ein Jahr gezogen?
Ich habe mich mehrmals bewusst gegen den Sprung entschieden – entweder wegen des Wetters (Wind wäre gefährlich) oder weil ich mich nicht bereit gefühlt habe. Da wir bei jedem neuen Versuch mindestens einen Tag lang shapen mussten, damit der Sprung überhaupt fahrbar war, hat sich das Ganze schliesslich über ein Jahr hingezogen.

Das war der höchste Sprung, der je versucht wurde: 25 Meter hoch, 31,3 Meter in der Diagonale – also richtig krass. Hattest du Angst?
Klar – die Angst ist immer da. Du weisst, du kannst dich richtig böse verletzen. Das ist menschlich. Aber über die Jahre habe ich gelernt, einzuschätzen, was möglich ist – und wozu ich wirklich fähig bin. Ich wusste, dass ich meine Grenzen hart pushen werde… Aber auch, dass ich es schaffen kann. Und ich hatte richtig Glück, das mit Seb zu machen – er ist Shaper und bringt viel Erfahrung mit. Genau der richtige Mann für so ein Projekt. Er hat mir extrem geholfen, das Ganze so safe wie möglich durchzuführen.

Was war das Schwierigste an dem Sprung – abgesehen davon, dass man sich überhaupt trauen muss?
Die richtige Geschwindigkeit zu finden. Das war wirklich der stressigste Faktor – du darfst auf keinen Fall zu kurz oder zu weit springen. Zu kurz wäre bei der Höhe keine Option. Da der Spot so steil war, konnte ich nie ganz bis zum Absprungpunkt laufen. Ich hatte also nur aus einem Meter Entfernung Sicht auf den Drop.

Wie hast du es geschafft, die richtige Geschwindigkeit zu finden? Das klingt sketchy …
Ja, das ist echt Horror … (lacht) Man spürt es irgendwie in sich – da musst du voll auf dein Bauchgefühl vertrauen. Und es gibt ein paar kleine Tricks, zum Beispiel Steine werfen, um ein Gefühl für die Distanz zu bekommen. Aber wirklich herausfinden kann man es nur, indem man es macht. Ich habe bestimmt eine Stunde Anläufe geübt, bevor ich gesprungen bin.

Wie bist du von „ich würde gern“ zu „okay, let’s go“ gekommen?
Ich wusste immer, dass ich es machen werde – nur nicht wann. Solange ich es nicht gefühlt habe, war klar: kein Sprung. Aber mit jedem Anlauf bin ich tiefer reingekommen, in diesen Modus, diesen Fokus. Irgendwann macht es Klick – und dann kommt der Point of no Return. Sobald du da bist, weisst du: Jetzt bremst du nicht mehr. Jetzt ziehst du es voll durch.

"Ich wusste immer, dass ich es machen werde – nur nicht wann."

Kannst du das Gefühl beim Sprung beschreiben? Was ging dir da durch den Kopf?
Das ist ein komplett einzigartiges Gefühl. Ich habe zwar noch nie einen Basejump gemacht, aber ich stelle es mir ähnlich vor. Ab der ersten Sekunde wusste ich: Die Geschwindigkeit passt – ich werde die Landung treffen. Das war eine riesige Erleichterung. Aber direkt danach dachte ich: «Oha … das dauert ein bisschen zu lange … bereite dich lieber auf den Aufprall vor.»

Wie bereitet man sich denn auf sowas vor? Oder: Was macht einen «guten» Impact aus?
Ziel war, mit beiden Rädern gleichzeitig zu landen, um die Wucht besser zu verteilen. Ich habe es so gut wie möglich gesteuert – aber das war einfach zu heftig. Mein Vorderreifen ist explodiert, mein Kopf war fast an der Gabel. Ich bin in eine Rolle gegangen. Das ist meine Taktik, wenn es schiefgeht: Ich rolle mich zusammen und warte, bis es vorbei ist. Ich bin echt mega happy, dass ich das alles bewusst miterlebt hab. Auch wenn ich gestürzt bin, habe ich keine einzige Verletzung erlitten und kann mich noch an alles erinnern.

Hast du mit dem Gedanken gespielt, den Sprung nochmal zu machen? Neues Rad, neuer Versuch?
Nein. So einen Impact kann man nicht zweimal einstecken. Das war einfach zu viel. Meine Jungs meinten, ich sei etwas tief gelandet und könnte es vielleicht schaffen, wenn ich weiter oben landen würde. Aber ich kann mit hundertprozentiger Sicherheit sagen: Der Aufprall ist nicht tragbar. Und selbst wenn ich sauber gelandet wäre – ich würde es kein zweites Mal versuchen. Das ist ein Sprung, den man nur einmal im Leben macht.



"Das ist ein Sprung, den man nur einmal im Leben macht."

31.3m | 102.7ft

Seitdem hast du einen weiteren 21-Meter-Sprung gemacht – und erfolgreich gelandet. Wie hast du dich dabei gefühlt?
Obwohl der Sprung deutlich kleiner war, musste ich mich mental richtig überwinden, um die Angst vom letzten Sturz zu besiegen. Den Sprung zu schaffen war eine grosse Erleichterung. Ich habe das Gefühl, eine kleine Etappe überwunden zu haben: Beim letzten Mal bin ich gestürzt, diesmal hat es geklappt. Das motiviert mich sehr, so weiterzumachen.

Fotos: Romuald Manach

Und zum Schluss: Hast du einen Rat für junge Rider:innen?
Der beste Rat? Geh es step by step an. So vermeidest du Verletzungen und unnötige Stürze. Du musst lernen, dir selbst zu vertrauen und an dich zu glauben. Und irgendwann musst du dich einfach trauen, den nächsten Schritt zu machen. Wenn du es nicht versuchst, wirst du nie wissen, wo deine Grenzen sind.

Wenn du es nicht versuchst, wirst du nie wissen, wo deine Grenzen sind.

Und für die ganz Verrückten, die wirklich ans Limit wollen?
Wenn sie schon mad sind, dann haben sie wahrscheinlich, was es dazu braucht. (lacht) Aber der Rat bleibt: Step by step. Wenn du es wirklich fühlst und der Plan ein bisschen irre ist, dann hol dir die richtigen Leute ins Boot und go for it. So ein Projekt macht man nicht allein – jedenfalls ich nicht. Du brauchst ein starkes Team, um sowas zu bauen. Und im Moment des Sprungs musst du dich voll auf deine Freunde verlassen können.